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Formationstanz: Erotik und Poesie auf 32 Füßen

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Bodenwischer, Kaffeemühle, Kettenreaktionen und Velberter Rose - wer diese Begriffe so rein gar nicht in einen Zusammenhang bringen kann, outet sich stehenden Fußes - das an sich ist für die sich stetig in Bewegung befindlichen Tänzer schon ein Affront - als Laie in Sachen Tanzsport. Hinter den fantasievollen Namen verbergen sich spezielle Figuren des Formationstanzes und die waren bei den Deutschen Meisterschaften mitunter in Perfektion zu bewundern.

Am vergangenen Samstag avancierte Bochum zum Nabel der nationalen Tanzwelt. 3 000 Zuschauer im ausverkauften RuhrCongress applaudierten während der abendlichen Endrunde der deutschen Elite der Standard- und Lateinformationen. Trotz des fehlenden „freien Blicks“ auf die Füße der jeweils acht auf dem Parkett aktiven Tanzpaare.
Mit dem Makel der eingeschränkten Sicht musste das fachkundige Publikum leben – die Tänzer mit fehlender Standfestigkeit auf dem unebenen und zu rutschigen Parkett. Die Organisatoren des heimischen TTC Rot-Weiß-Silber Bochum gelobten Besserung. Dazu haben sie bereits im Mai 2008 Gelegenheit, wenn sie an gleicher Stelle die Europameisterschaften ausrichten.
Trotz dieser Unzulänglichkeiten war es der Abend großer Emotionen. Da passte es, dass zum Auftakt – wie von „Frank, dem Weddingplaner“ in Szene gesetzt – ein Braunschweiger Tänzer auf Knien um die Hand seiner Freundin anhielt. Nach dem unter Tränen gehauchten Jawort seiner Auserwählten gehörte das Parkett dann den Standardformationen.
Die Herren der Zunft stilvoll im Frack, die Damen farbenfroh und dennoch elegant. Und frei nach dem Motto „Gut gegelt, ist halb gewonnen“, präsentierten sich Männlein wie Weiblein mit glänzend schwarzer Haarpracht. Den Fans gefiel‘s. Mit einem unüberhörbaren: „Ihr seht gut aus“ wurden nahezu alle Formationen auf die Tanzfläche geschickt. Doch gut aussehen allein reicht nicht. Bei den sechs Minuten dauernden Choreografien ist tänzerische Perfektion gefragt. Synchronität gehört gleichermaßen dazu wie ein schneller Bildwechsel. Linie, Kreis, Blöcke, Diagonalen und Rauten zauberten die acht Paare aufs Parkett, und die Spitzenteams wechselten während des Wertungsteils mehr als 30 Mal die Bilder.
Der Laie fragte sich dabei, ob der à la Aschenputtel verloren gegangene Schuh wohl auch zur Choreografie des gerade über die Tanzfläche schwebenden TSC Nürnberg gehörte. Davon unbeeindruckt tanzte die betroffene Dame unverdrossen weiter Tango, Quickstep, Slowfox und Walzer - alles unbeschuht. Die Wertungsrichtern störte dieses kleine Malheur nicht, der Aufsteiger landete auf einem für ihn sensationellen Platz vier.
Nicht zu toppen waren an diesem Abend die Paare des TC Ludwigsburg. Zum musikalisch dramatischen Duell, das sich Montserrat Caballé und Freddy Mercury bei dem vom 1991 verstorbenen Queen-Sänger komponierten „Barcelona“ liefern, dichteten die in Gold gehüllten Damen (und einzigen „Blondinen“ des Abends) mit ihren Partnern eine „Poesie der Füße“ auf die Tanzfläche, für die acht der neun Wertungsrichter die Tafel mit der „1“ zückten. Mehr geht kaum.
„Weniger ist mehr“, hieß es dafür bei den Lateinformationen. Allerdings ausschließlich auf die Kostüme der Tänzerinnen bezogen. Gewandet in ein „Hauch von Nichts“ drehten sie ihre Pirouetten bis zum Topwert von zwölf Mal. Während jeder andere nach solch Rotationswirbeln orientierungslos umherirren würde, ging es an der Hand ihrer Partner direkt über zur nächsten Höchstschwierigkeit. Tänzerinnen und Tänzer strahlten, die Beine amüsierten sich. Woher die Athleten allerdings nach sechs Minuten sportlicher Höchstleistung noch die Luft hernahmen, tarzangleiche Urschreie in die Halle hinauszuschreien, blieb ihr Geheimnis.
Es hatte wohl ebenso etwas Befreiendes wie die Jubelgesänge der Formation des Grün-Gold-Clubs Bremen. Angetrieben von Trainer Roberto Albanese, von seinen Schützlingen liebevoll als „absoluter Psychopath im positiven Sinne“ bezeichnet, hatten die Bremer zur Musik von „Rocky“ Paso Doble, Samba, Cha-Cha-Cha, Jive und Rumba nahezu perfekt inszeniert. Siebenmal setzten die Wertungsrichter das Lateinteam auf Platz eins.
Jubeln durften aber auch zwei Bochumer. Mit dem TSZ Velbert ertanzten sich Miriam Perplies vom TTC RWS Bochum und Lars Biercher von Ruhr-Casino Bochum den dritten Platz und konnten im Finale sogar dem Zweitplazierten Bremerhaven zwei Zweien „stibitzen“.
Fast noch mehr Kondition mussten die Paare im Übrigen bei der bis in die frühen Morgenstunden dauernden Aftershow-Party beweisen.

Text: Andrea Schröder
Fotos: Andreas Molatta

Weitere Infos und Ergebnisse der Deutschen Meisterschaften im Formationstanzen Latein und Standard:: www.dm-2007.com

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